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↑ Herzlich aufgenommen: Anwärter Maximilian Alnashi (2. v. r.) bei der Bergwacht Ruhpolding; Foto: Bergwacht Ruhpolding

Maximilian, wie bist du zur Bergwacht gekommen?

Da ich privat in den Bergen unterwegs bin, habe ich mich bald auch für die Bergwacht interessiert. Gedauert hat es aber, bis ich bei meiner neuen Ausbildung an einen Chef geraten bin, der zufällig Notarzt bei der Bergwacht Ruhpolding ist. Er hat gemeint, ich soll einfach mal vorbeikommen. Seit zwei Jahren bin ich als Anwärter dabei. Leider konnte ich im Sommer meine Prüfung nicht machen, weil ich mir eine Sehne am Finger durchgeschnitten habe. Aber nächstes Jahr werde ich das nachholen.

Wie hat man dich aufgenommen?

Blöd geschaut hat niemand. Alle waren total herzlich, haben nachgefragt, waren interessiert. Ich hatte keine Sekunde das Gefühl, ein Ausländer zu sein – obwohl hier ja fast nur Einheimische aus dem Ort sind. Da war ich ehrlich gesagt sehr positiv überrascht, weil ich in Deutschland immer wieder Diskriminierung erlebe, bis heute. Aber bei der Bergwacht nicht, im Gegenteil. Da ist man wie eine Familie, hilft einander, auch wenn es darum geht, die Wache zu putzen.

Warum Bergwacht – hast du eine besondere Beziehung zu den Bergen?

In Syrien waren die Berge immer Kriegsgebiet, Wandern war undenkbar. Die Berge habe ich erst hier entdeckt, über meine Frau, die begeisterte Bergsteigerin ist. Ehrlich gesagt habe ich am Anfang nicht verstanden, warum man Wandern geht – es ist einfach nur anstrengend. Und auf der ersten Tour habe ich gemerkt, dass ich Höhenangst habe.

Keine optimale Voraussetzung fürdie Bergwacht, oder?

Nein! Weil aber mein ganzes Umfeld in die Berge geht, bin ich immer wieder alleine losgezogen und habe mich weiter vorgewagt, bis die Höhenangst weg war. Das habe ich Hunderte Male wiederholt. Wo ich früher vor Angst nicht laufen konnte, kann ich jetzt joggen. Dabei habe ich die Berge lieben gelernt und verstanden, warum es Leute immer wieder zum Gipfelkreuz zieht. Auf einen Berg zu steigen, war für mich irgendwann wie das Leben selbst. Man fängt mit nichts an, aber steigt immer weiter, bis man am Ziel ist. So gehe ich auch durchs normale Leben. Auch bei meinen Kriegstraumata habe ich gesagt: Entweder trage ich das jetzt mein ganzes Leben mit mir herum, oder ich tu was dagegen.

Haben dir die Berge auch geholfen, den Krieg in deinem Heimatland zu verarbeiten?

Ich bin offen und ehrlich bei dem Thema: Ich bin, weil ich in meiner Heimat Christ war, vom IS festgenommen, geschlagen und gefoltert worden, monatelang. Als man dachte, ich sei tot, wurde ich auf die Straße geworfen. Es war ein langer Weg zurück ins Leben. Ich wollte nicht das Opfer sein, sondern selbst die Kontrolle haben. Dafür musste ich diese Erlebnisse nochmal zurückholen – ganz in Ruhe, beim Spazierengehen oder Wandern–, um sie dann zu überwinden. Sie sind noch da, aber dürfen mein Leben nicht mehr stören. Das hat bisher funktioniert, und deshalb war ich mir auch sicher, meine Höhenangst überwinden zu können.

In den Bergen ist mehr los denn je – gemessen am Bevölkerungsanteil trifft man aber verhältnismäßig wenige Menschen mit Migrationshintergrund. Würdest du da zustimmen?

Osteuropäer etwa treffe ich hier schon einige. Was arabische Länder angeht, stimme ich zu – beim Wandern oder auf Skitouren sieht man da nicht viele, eher an der Zugspitze oder am Jungfraujoch. Es gibt dort keine tief verankerte Bergsportkultur wie hier. Spazieren geht man eher in der Stadt, nicht in der Natur. Und einige haben vielleicht auch niemanden gefunden, der mit ihnen wandern geht.



Zur Person

Maximilian Alnashi arbeitet im Außendienst bei einem Verbandshersteller, sein Berufsabschluss als Bauingenieur wurde in Bayern nicht anerkannt. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Traunstein.